Der Tagesspiegel Chardonnay-Test 30.11.2014

Der Alleskönner unter den Weinen: Chardonnay

Chardonnay - Der große Test
30.11.2014 00:00 Uhr von Manfred Kriener

Diese Weißweinsorte ist die am häufigsten angebaute der Welt. Was Chardonnay kann, wo er herkommt – und welcher der beste ist.

Ein Blick in die Top Ten genügt: Beim jährlich ausgetragenen weltweiten Wettbewerb Chardonnay du Monde stehen an der Spitze der höchstbewerteten Vertreter ein tschechischer Wein, ein Südafrikaner, ein Slowene, ein Spanier, ein Kanadier, ein Chinese, ein Australier, ein Schweizer – und mehrere Franzosen. Der Kosmopolit zeigt, was er kann. Er ist als Multitalent in jedem Winkel des Planeten Wein zu Hause.

Mit 170 000 Hektar ist Chardonnay die am häufigsten angebaute Weißweinsorte der Welt, die Rebfläche ist mehr als dreimal so groß wie die des Rieslings. Auch in Deutschland legt die Traube regelmäßig zu, sie belegte im Jahr 2013 eine Rebfläche von 1600 Hektar, das ist Platz sieben unter den heimischen Weißwein-Sorten.
Nach einem Temperaturanstieg in den hiesigen Anbaugebieten um mehr als ein Grad Celsius seit den 1980er Jahren liegt die Chardonnay-Traube an Rhein, Main und Neckar jetzt in ihrem klimatischen Optimum.

Viele Jahre hatten sich Riesling und Chardonnay um die Krone der qualitativ weltbesten Weißweinsorte gestritten. Längst ist friedliche Koexistenz eingekehrt, zumal beide Rebsorten gänzlich unterschiedliche Stärken und Charaktere zeigen. Chardonnay gilt als Alleskönner, er imponiert in der Regel aber mit einem körperreichen Auftritt. Häufig wird die Rebsorte im kleinen Eichenholzfass (Barrique) ausgebaut. Durch den gleichzeitig praktizierten biologischen Säureabbau wird der Wein weicher, die getoastete Eiche spendiert ihm Vanillearomen, macht ihn cremiger und opulenter. Doch immer öfter werden hinter dem Make-up des Eichenholzes die harten Wangenknochen der Rebsorte sichtbar. Chardonnay kann auch säurebetont, zitrusfrisch und mineralisch schmecken, kann schlank, elegant und filigran sein. Nuss, Butter und Marzipan sind typische Aromen, dazu viele gelbe, manchmal exotische Früchte.

Zeitweise hatte es so ausgesehen, als würden die holzbetonten Chardonnays den Weingeschmack dominieren. Als um die Jahrtausendwende die weltweite Chardonnitis beängstigende Ausmaße annahm und der Markt von stark parfümierten Einheitsweinen überschwemmt wurde, machte der böse Slogan „ABC“ unter Weinkennern die Runde: Anything but Chardonnay, bloß keinen Chardonnay! Diese Tropfen mit hohem Alkoholgehalt, exotischem Fruchtgeschmack und kräftigem Holzton haben zunehmend an Ansehen verloren. „Trinkigkeit“ und „Trinkfluss“ heißen die neuen Zauberworte der Weinmagazine. Nicht der Wein, der im Mund am lautesten „wumms“ macht, ist der beste, sondern der animierende, der sofort nach dem nächsten Glas schreit, der elegant und süffig über die Zunge rollt.

Das kleine Kaff Chardonnay – übersetzt: Ort mit vielen Disteln –, wo die Rebe vermutlich herkommt, liegt natürlich im Burgund. Aus einer Kreuzung von Pinot Noir (Spätburgunder) und Gouais Blanc (Heunisch), einer uralten Rebsorte, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa heimisch war, hatten Mönche die Sorte gezüchtet. Aus Burgund kommen heute noch die angesehensten und teuersten Chardonnays. Die klingenden Namen heißen Meursault, Chassagne-Montrachet, Puligny-Montrachet, Chevalier-Montrachet, Corton-Charlemagne, Le Musigny oder Chablis Grand Cru. Es sind sündteure Weißweine, die über Jahrzehnte majestätisch altern sollen – was sie nicht immer tun.

Doch die arrogante burgundische Welt war am 7. Juni 1976 jäh in sich zusammengestürzt. Bei einer Blindprobe großer Chardonnays in Paris landete keiner der Stars aus der heiligen Erde der Grande Nation auf dem Siegerpodest, sondern ein Underdog aus Kalifornien – für sechs Dollar die Flasche. Der Chateau Montelena hatte die burgundische Elite abgehängt und war wenige Stunden später ausverkauft, die Grundstückspreise im Herkunftsgebiet Napa Valley explodierten. Heute ist nicht mehr das Burgund, sondern Kalifornien mit 44 000 Hektar das größte Chardonnay-Gebiet der Welt. Seit jenem Beben von 1976 ist klar und in vielen Degustationen bewiesen, dass Chardonnay auch außerhalb Burgunds große Weine liefern kann, die zudem oft nur einen Bruchteil der berühmten Renommiertropfen kosten. Grundvoraussetzung: anspruchsvolle Lagen mit meist kalkhaltigen Böden und hohe Winzerkunst.
Der Chardonnay wird elegant

Innerhalb des Burgunds besitzt das Anbaugebiet Chablis seit jeher eine Sonderstellung. Hier, im nördlichsten Teil der Region, wo der Spätfrost im Mai mit Heizungen im Weinberg und künstlicher Beregnung aus Hubschraubern bekämpft wird, erzeugt man auf kargen Kreideböden Chardonnays von cooler Noblesse – säurefrisch, mineralisch und ohne klotziges Holz. Schon die grünlichen statt honiggelben Farbreflexe signalisieren den anderen Weintyp, ein geborener Begleiter zu Fisch und Meeresfrüchten. Allerdings sind auch in Chablis einige Winzer der Versuchung des Markts erlegen und haben gefälligere Weine produziert. Doch die besten Chablis bleiben „magere“ Weine von belebender Struktur.

Auch außerhalb des Chablis schwenkt die Stilistik derzeit eher in die elegante Richtung. „Chardonnay-Winzer scheinen gern Riesling zu trinken“, spottet der Nürnberger Weinhändler Martin Kössler, „jedenfalls haben sie ihre weich-fette Grundstilistik teils radikal geändert“. Für die neuen, schlankeren Chardonnays gilt: frühzeitigere Lese, Erhalt der straffen, frischen Säure, niedrige pH-Werte, Alkoholgrade um die 13 Grad und kein überbordender Holzton. So kann der Chardonnay seine Stärke ausspielen: Die Rebsorte, sagt Kössler, reagiere nämlich sensibel auf das „Making“ im Keller und den Anbau im Weinberg, viel mehr als etwa der Riesling. Der Winzer kann deshalb seinen persönlichen Weinstil ziemlich exakt bestimmen und einstellen.

Im Burgund konkurrieren derzeit noch zwei Schulen: Die einen produzierten cremige, weiche Weine mit Aromen, die an Exotenobst erinnern, die anderen stahlig-frische. Für die Liebhaber fetter Chardonnay-Ungetüme bleibt vor allem Kalifornien interessant, wo noch viele Weine im alten Stil hergestellt werden.

Rassige Eleganz ist in der Champagne gefragt, einer anderen Chardonnay-Hochburg. Die früh gelesenen Grundweine für den berühmten Schampus haben von jeher niedrige Alkoholwerte und viel Frische. Chardonnay hat als die große Weißweintraube der Region einen Anteil von 30 Prozent an der Rebfläche. In vielen Champagnern wird Chardonnay in einer Cuvée zusammen mit Pinot Meunier (Schwarzriesling) und Pinot Noir (Spätburgunder) eingesetzt. Trägt der Sekt die Bezeichnung Blanc de blanc, dann besteht er ausschließlich aus Chardonnay. So sind einige der berühmtesten Schaumweine der Welt reine Chardonnays. Die Rebsorte kann es also auch prickelnd.

In Deutschland werden die Weine meist mit einem leichten Holztouch ausgebaut. Das ist sinnvoll, weil die Abteilung frisch und knackig schon mit anderen Rebsorten, vor allem mit dem säurebetonten Riesling besetzt ist. Zu den angesehensten und höchstbewerteten deutschen Chardonnays zählen Jahr für Jahr der „R“ von Hans-Jörg Rebholz aus der Pfalz oder der Heckinger Schlossberg vom badischen Weingut Bernhard Huber. Beides sind langlebige Weine von üppiger Schönheit mit gekonnt eingebundenem Holzton, die eindrucksvoll demonstrieren, welche Klasse diese Rebsorte auch im heimischen Rebhügel erreichen kann. Trotz seiner Qualität hat der Chardonnay in Deutschland erst 1991 die Zulassung erhalten. Dass es dennoch einige deutlich ältere Rebstöcke gibt, ist kein Geheimnis. Weil die Sorte im Wuchs nur schwer vom Weißburgunder zu unterscheiden ist, waren illegale Anpflanzungen der Weinkontrolle nicht weiter aufgefallen.
Klasse unter 20 Euro

Das Urteil war eindeutig: Von sieben Jury-Mitgliedern hatten fünf den deutschen Chardonnay auf Platz eins gesetzt. Die Degustation – sieben Chardonnays aus sieben europäischen Ländern – war wie immer „blind“; alle Kandidaten waren in neutrale Flaschen umgefüllt und nummeriert worden. Probiert wurde erst solo, dann zu Kalbsgulasch. Nachdem alle Weine im 20-Punkte-System bewertet waren, begann Kapitel zwei dieser Probe. Wer kann erschmecken, welcher Wein aus welchem Land kommt? Wie bei ähnlichen Tests in Weinmagazinen erwies sich die geografische Zuordnung als schwierig. Niemand hatte den Griechen als Griechen erkannt – er war die große Überraschung. Der Südtiroler hatte noch die meisten Treffer (drei). Zwei Richtige für Spanien, denn die kühle Gäraromatik ist typisch für viele dortige Weißweine. Gleich vier Juroren hatten den Sieger als Franzosen identifiziert. Hier kamen offenbar die positiven Vorurteile gegenüber Frankreich zum Tragen – ein solch eleganter Chardonnay kann nur links vom Rhein wachsen, oder? Denkste.

Das Preislimit für die eingereichten Weine lag bei 20 Euro.

Der Sieger: 2013 Chardonnay „R“ von Kühling-Gillot, Rheinhessen
Der Eleganteste gewann souverän: Apfel- und Zitrusnoten, dezente Holzaromatik, animierend mit gutem Säurenerv und herrlichem Trinkfluss; geschmeidig. 19,00 Euro, Weinladen Schmidt, Kollwitzstr. 50, Tel: 2000 395-0 (und Filialen)

2. Platz: 2012 Chardonnay, Weingut Tselepos, Griechenland
Nuss, Vanille, edle Hölzer, cremig, dicht, konzentriert, deutlicher Holzeinsatz, aber harmonisch. Ein Wein mit Wumms vom Peloponnes. 11,50 Euro bei der Weinhandlung Cava, Schustehrusstr. 20, Telefon: 342 03 68

3. Platz: 2012 Chardonnay „Kreuth“ DOC, Cantina Terlan, Italien
Gelbe Früchte, Banane, zartes Holz, Mineral, leicht buttrig, weiche Säure. Klasse Südtiroler mit Potenzial und Frische. Schmeckt auch im Frühling. 13,95 Euro bei Vino Scout, Friedrich-Wilhelm-Str. 10, Telefon: 756 563 27

Weitere Weine in alphabetischer Reihenfolge:

2012 Chardonnay Viré-Clessé von Guillemot-Michel, Burgund
Lychee, Himbeere, Rosenwasser; ohne Holz und Fett, eigenwillige Chardonnay-Interpretation, ein Burgunder auf individuellem Pfad. 17,90 Euro bei Viniculture, Grolmanstraße 44-45, Telefon: 883 81 74

2011 Chardonnay Leithaberg, Weingut Heinrich, Burgenland
Lindenblüten, Champignons, ein Hauch gelber Früchte, zarte Bitternote, ein mittelgewichtiger Chardonnay aus gutem Hause. 16,90 Euro bei Wein & Glas- Compagnie, Prinzregentenstr. 2, Telefon: 235 152-0

2013 Chardonnay Weingut Mathier & Fils, Wallis
Leicht exotischer Blütenduft, etwas Nuss, deutliche Süße und weiche Textur, gute Länge, passt zur asiatischen Küche. 14,40 Euro bei Schweizerweine.de, Dürerstr. 43, nur nach telefonischer Vereinbarung: 843 10 149

2013 Chardonnay Urbezo, Weingut Solar de Urbezo, Region Carinena
Weiße Blüten, Banane, Eisbonbons: modern gemacht, sehr kühl vergoren, mit entsprechend cooler Aromatik. 7,50 Euro bei Vinos, Knesebeckstr. 86, weitere vier Filialen, Kontakt: www.vinos.de

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Cava_Teselepos_Chardonnay_2014

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Der Tagesspiegel Chardonnay-Test 30.11.2014

Der Alleskönner unter den Weinen: Chardonnay

Chardonnay - Der große Test
30.11.2014 00:00 Uhr von Manfred Kriener

Diese Weißweinsorte ist die am häufigsten angebaute der Welt. Was Chardonnay kann, wo er herkommt – und welcher der beste ist.

Ein Blick in die Top Ten genügt: Beim jährlich ausgetragenen weltweiten Wettbewerb Chardonnay du Monde stehen an der Spitze der höchstbewerteten Vertreter ein tschechischer Wein, ein Südafrikaner, ein Slowene, ein Spanier, ein Kanadier, ein Chinese, ein Australier, ein Schweizer – und mehrere Franzosen. Der Kosmopolit zeigt, was er kann. Er ist als Multitalent in jedem Winkel des Planeten Wein zu Hause.

Mit 170 000 Hektar ist Chardonnay die am häufigsten angebaute Weißweinsorte der Welt, die Rebfläche ist mehr als dreimal so groß wie die des Rieslings. Auch in Deutschland legt die Traube regelmäßig zu, sie belegte im Jahr 2013 eine Rebfläche von 1600 Hektar, das ist Platz sieben unter den heimischen Weißwein-Sorten.
Nach einem Temperaturanstieg in den hiesigen Anbaugebieten um mehr als ein Grad Celsius seit den 1980er Jahren liegt die Chardonnay-Traube an Rhein, Main und Neckar jetzt in ihrem klimatischen Optimum.

Viele Jahre hatten sich Riesling und Chardonnay um die Krone der qualitativ weltbesten Weißweinsorte gestritten. Längst ist friedliche Koexistenz eingekehrt, zumal beide Rebsorten gänzlich unterschiedliche Stärken und Charaktere zeigen. Chardonnay gilt als Alleskönner, er imponiert in der Regel aber mit einem körperreichen Auftritt. Häufig wird die Rebsorte im kleinen Eichenholzfass (Barrique) ausgebaut. Durch den gleichzeitig praktizierten biologischen Säureabbau wird der Wein weicher, die getoastete Eiche spendiert ihm Vanillearomen, macht ihn cremiger und opulenter. Doch immer öfter werden hinter dem Make-up des Eichenholzes die harten Wangenknochen der Rebsorte sichtbar. Chardonnay kann auch säurebetont, zitrusfrisch und mineralisch schmecken, kann schlank, elegant und filigran sein. Nuss, Butter und Marzipan sind typische Aromen, dazu viele gelbe, manchmal exotische Früchte.

Zeitweise hatte es so ausgesehen, als würden die holzbetonten Chardonnays den Weingeschmack dominieren. Als um die Jahrtausendwende die weltweite Chardonnitis beängstigende Ausmaße annahm und der Markt von stark parfümierten Einheitsweinen überschwemmt wurde, machte der böse Slogan „ABC“ unter Weinkennern die Runde: Anything but Chardonnay, bloß keinen Chardonnay! Diese Tropfen mit hohem Alkoholgehalt, exotischem Fruchtgeschmack und kräftigem Holzton haben zunehmend an Ansehen verloren. „Trinkigkeit“ und „Trinkfluss“ heißen die neuen Zauberworte der Weinmagazine. Nicht der Wein, der im Mund am lautesten „wumms“ macht, ist der beste, sondern der animierende, der sofort nach dem nächsten Glas schreit, der elegant und süffig über die Zunge rollt.

Das kleine Kaff Chardonnay – übersetzt: Ort mit vielen Disteln –, wo die Rebe vermutlich herkommt, liegt natürlich im Burgund. Aus einer Kreuzung von Pinot Noir (Spätburgunder) und Gouais Blanc (Heunisch), einer uralten Rebsorte, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa heimisch war, hatten Mönche die Sorte gezüchtet. Aus Burgund kommen heute noch die angesehensten und teuersten Chardonnays. Die klingenden Namen heißen Meursault, Chassagne-Montrachet, Puligny-Montrachet, Chevalier-Montrachet, Corton-Charlemagne, Le Musigny oder Chablis Grand Cru. Es sind sündteure Weißweine, die über Jahrzehnte majestätisch altern sollen – was sie nicht immer tun.

Doch die arrogante burgundische Welt war am 7. Juni 1976 jäh in sich zusammengestürzt. Bei einer Blindprobe großer Chardonnays in Paris landete keiner der Stars aus der heiligen Erde der Grande Nation auf dem Siegerpodest, sondern ein Underdog aus Kalifornien – für sechs Dollar die Flasche. Der Chateau Montelena hatte die burgundische Elite abgehängt und war wenige Stunden später ausverkauft, die Grundstückspreise im Herkunftsgebiet Napa Valley explodierten. Heute ist nicht mehr das Burgund, sondern Kalifornien mit 44 000 Hektar das größte Chardonnay-Gebiet der Welt. Seit jenem Beben von 1976 ist klar und in vielen Degustationen bewiesen, dass Chardonnay auch außerhalb Burgunds große Weine liefern kann, die zudem oft nur einen Bruchteil der berühmten Renommiertropfen kosten. Grundvoraussetzung: anspruchsvolle Lagen mit meist kalkhaltigen Böden und hohe Winzerkunst.
Der Chardonnay wird elegant

Innerhalb des Burgunds besitzt das Anbaugebiet Chablis seit jeher eine Sonderstellung. Hier, im nördlichsten Teil der Region, wo der Spätfrost im Mai mit Heizungen im Weinberg und künstlicher Beregnung aus Hubschraubern bekämpft wird, erzeugt man auf kargen Kreideböden Chardonnays von cooler Noblesse – säurefrisch, mineralisch und ohne klotziges Holz. Schon die grünlichen statt honiggelben Farbreflexe signalisieren den anderen Weintyp, ein geborener Begleiter zu Fisch und Meeresfrüchten. Allerdings sind auch in Chablis einige Winzer der Versuchung des Markts erlegen und haben gefälligere Weine produziert. Doch die besten Chablis bleiben „magere“ Weine von belebender Struktur.

Auch außerhalb des Chablis schwenkt die Stilistik derzeit eher in die elegante Richtung. „Chardonnay-Winzer scheinen gern Riesling zu trinken“, spottet der Nürnberger Weinhändler Martin Kössler, „jedenfalls haben sie ihre weich-fette Grundstilistik teils radikal geändert“. Für die neuen, schlankeren Chardonnays gilt: frühzeitigere Lese, Erhalt der straffen, frischen Säure, niedrige pH-Werte, Alkoholgrade um die 13 Grad und kein überbordender Holzton. So kann der Chardonnay seine Stärke ausspielen: Die Rebsorte, sagt Kössler, reagiere nämlich sensibel auf das „Making“ im Keller und den Anbau im Weinberg, viel mehr als etwa der Riesling. Der Winzer kann deshalb seinen persönlichen Weinstil ziemlich exakt bestimmen und einstellen.

Im Burgund konkurrieren derzeit noch zwei Schulen: Die einen produzierten cremige, weiche Weine mit Aromen, die an Exotenobst erinnern, die anderen stahlig-frische. Für die Liebhaber fetter Chardonnay-Ungetüme bleibt vor allem Kalifornien interessant, wo noch viele Weine im alten Stil hergestellt werden.

Rassige Eleganz ist in der Champagne gefragt, einer anderen Chardonnay-Hochburg. Die früh gelesenen Grundweine für den berühmten Schampus haben von jeher niedrige Alkoholwerte und viel Frische. Chardonnay hat als die große Weißweintraube der Region einen Anteil von 30 Prozent an der Rebfläche. In vielen Champagnern wird Chardonnay in einer Cuvée zusammen mit Pinot Meunier (Schwarzriesling) und Pinot Noir (Spätburgunder) eingesetzt. Trägt der Sekt die Bezeichnung Blanc de blanc, dann besteht er ausschließlich aus Chardonnay. So sind einige der berühmtesten Schaumweine der Welt reine Chardonnays. Die Rebsorte kann es also auch prickelnd.

In Deutschland werden die Weine meist mit einem leichten Holztouch ausgebaut. Das ist sinnvoll, weil die Abteilung frisch und knackig schon mit anderen Rebsorten, vor allem mit dem säurebetonten Riesling besetzt ist. Zu den angesehensten und höchstbewerteten deutschen Chardonnays zählen Jahr für Jahr der „R“ von Hans-Jörg Rebholz aus der Pfalz oder der Heckinger Schlossberg vom badischen Weingut Bernhard Huber. Beides sind langlebige Weine von üppiger Schönheit mit gekonnt eingebundenem Holzton, die eindrucksvoll demonstrieren, welche Klasse diese Rebsorte auch im heimischen Rebhügel erreichen kann. Trotz seiner Qualität hat der Chardonnay in Deutschland erst 1991 die Zulassung erhalten. Dass es dennoch einige deutlich ältere Rebstöcke gibt, ist kein Geheimnis. Weil die Sorte im Wuchs nur schwer vom Weißburgunder zu unterscheiden ist, waren illegale Anpflanzungen der Weinkontrolle nicht weiter aufgefallen.
Klasse unter 20 Euro

Das Urteil war eindeutig: Von sieben Jury-Mitgliedern hatten fünf den deutschen Chardonnay auf Platz eins gesetzt. Die Degustation – sieben Chardonnays aus sieben europäischen Ländern – war wie immer „blind“; alle Kandidaten waren in neutrale Flaschen umgefüllt und nummeriert worden. Probiert wurde erst solo, dann zu Kalbsgulasch. Nachdem alle Weine im 20-Punkte-System bewertet waren, begann Kapitel zwei dieser Probe. Wer kann erschmecken, welcher Wein aus welchem Land kommt? Wie bei ähnlichen Tests in Weinmagazinen erwies sich die geografische Zuordnung als schwierig. Niemand hatte den Griechen als Griechen erkannt – er war die große Überraschung. Der Südtiroler hatte noch die meisten Treffer (drei). Zwei Richtige für Spanien, denn die kühle Gäraromatik ist typisch für viele dortige Weißweine. Gleich vier Juroren hatten den Sieger als Franzosen identifiziert. Hier kamen offenbar die positiven Vorurteile gegenüber Frankreich zum Tragen – ein solch eleganter Chardonnay kann nur links vom Rhein wachsen, oder? Denkste.

Das Preislimit für die eingereichten Weine lag bei 20 Euro.

Der Sieger: 2013 Chardonnay „R“ von Kühling-Gillot, Rheinhessen
Der Eleganteste gewann souverän: Apfel- und Zitrusnoten, dezente Holzaromatik, animierend mit gutem Säurenerv und herrlichem Trinkfluss; geschmeidig. 19,00 Euro, Weinladen Schmidt, Kollwitzstr. 50, Tel: 2000 395-0 (und Filialen)

2. Platz: 2012 Chardonnay, Weingut Tselepos, Griechenland
Nuss, Vanille, edle Hölzer, cremig, dicht, konzentriert, deutlicher Holzeinsatz, aber harmonisch. Ein Wein mit Wumms vom Peloponnes. 11,50 Euro bei der Weinhandlung Cava, Schustehrusstr. 20, Telefon: 342 03 68

3. Platz: 2012 Chardonnay „Kreuth“ DOC, Cantina Terlan, Italien
Gelbe Früchte, Banane, zartes Holz, Mineral, leicht buttrig, weiche Säure. Klasse Südtiroler mit Potenzial und Frische. Schmeckt auch im Frühling. 13,95 Euro bei Vino Scout, Friedrich-Wilhelm-Str. 10, Telefon: 756 563 27

Weitere Weine in alphabetischer Reihenfolge:

2012 Chardonnay Viré-Clessé von Guillemot-Michel, Burgund
Lychee, Himbeere, Rosenwasser; ohne Holz und Fett, eigenwillige Chardonnay-Interpretation, ein Burgunder auf individuellem Pfad. 17,90 Euro bei Viniculture, Grolmanstraße 44-45, Telefon: 883 81 74

2011 Chardonnay Leithaberg, Weingut Heinrich, Burgenland
Lindenblüten, Champignons, ein Hauch gelber Früchte, zarte Bitternote, ein mittelgewichtiger Chardonnay aus gutem Hause. 16,90 Euro bei Wein & Glas- Compagnie, Prinzregentenstr. 2, Telefon: 235 152-0

2013 Chardonnay Weingut Mathier & Fils, Wallis
Leicht exotischer Blütenduft, etwas Nuss, deutliche Süße und weiche Textur, gute Länge, passt zur asiatischen Küche. 14,40 Euro bei Schweizerweine.de, Dürerstr. 43, nur nach telefonischer Vereinbarung: 843 10 149

2013 Chardonnay Urbezo, Weingut Solar de Urbezo, Region Carinena
Weiße Blüten, Banane, Eisbonbons: modern gemacht, sehr kühl vergoren, mit entsprechend cooler Aromatik. 7,50 Euro bei Vinos, Knesebeckstr. 86, weitere vier Filialen, Kontakt: www.vinos.de

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